Wer es als Koch weit bringen will, muss offenbar buchstäblich früh aufstehen. Genau fünf Uhr war es heute Morgen, als der Wecker von Andreas Caminada klingelte. Der Bündner, der sich mit seinem «Schloss Schauenstein» im Domleschg an die Weltspitze gekocht hat, ist zum Felchen Fischen auf dem Walensee verabredet. Die Beute des Tages liegt einige Stunden später in der Küche: neben den Felchen, dem typischen Schweizer Seefisch, ist es eine Eindruck schindende Forelle: Gross wie ein Lachs, 3,8 Kilogramm schwer, knapp 180 Franken teuer und frisch, wie Fisch nur sein kann: die Augen sind noch hell und klar, die Kiemen leuchtend rot, wie der Koch mit geübtem Blick feststellt.
Dann fängt Caminada mit geübten Schnitten an, die Forelle in verwertbare und nicht verwertbare Teile zu zerlegen. Zuerst werden die Filets und die Bäckchen schön säuberlich heraustranchiert und von Gräten befreit, dann schabt der Koch den Rest des orangefarbenen Fleisches mit einem Esslöffel von der Karkasse (Knochengerüst). Daraus schneidet er später ein Tatar. Die Karkasse selbst, kann für die Herstellung eines Fischfonds verwendet werden.
Und die Filets werden mit wenigen Handgriffen für eine spätere Verwendung vorbereitet: Beizen heisst die Methode, eine Form des Marinierens, die gerne bei Salmoniden wie Lachs oder Forelle angewandt wird. Ein klassisches Beispiel ist der Graved Lachs, der in Skandinavien seit Jahrhunderten zubereitet wird. Durch die Gewürze – insbesondere Salz und Zucker – wird dem Fisch Wasser entzogen, er wird haltbar gemacht und gerät natürlich auch aromatischer.
Fisch bleibt frisch
Caminadas Beize besteht aus Salz und Zucker zu gleichen Teilen (je 30g), dazu eine Mischung aus getrockneten Gewürzkörnern, die im Mörser pulverisiert werden (schwarzer Pfeffer, Koriandersamen, Senfsaat und einige Wacholderbeeren. Die Fischfilets werden mit der Gewürzmischung eingerieben und ausserdem mit Zitronenscheiben, frischem Dill und Estragon belegt. Straff in Frischhaltefolie eingewickelt legt der 3-Sterne-Koch den Fisch jetzt in den Kühlschrank, wo er mindestens zwölf Stunden gebeizt wird.
Während Andreas Caminada sich mit einer eleganten Mischung aus Routine und Hingabe diesem Stück Fisch widmet, geht die Tür zur kleinen Probeküche immer wieder auf, Angestellten kommen herein, um beim Schlossherr ein okay abzuholen oder eine Richtungsangabe. Elf Köche und drei Spühler arbeiten in der Küche von Schloss Schauenstein, um mittags und abends ein kulinarisches Schauspiel auf höchstem Niveau aufzuführen. Der Grad der geschmacklichen und handwerklichen Perfektion ist natürlich hoch. Und laufend muss der Chef etwas entscheiden: Stimmt das Aroma dieser Creme? Sind die in flüssigem Stickstoff gefrorenen Joghurtkugeln in genügend grosser Anzahl vorhanden? «Das sind meine Gerichte, meine Geschmackswelt. Ich muss sicherstellen, dass sie nicht verfälscht wird. Deshalb kann ich vieles auch nicht delegieren, sondern muss und will selbst in der Küche stehen», sagt Caminada.
Seine Geschmackswelt beruht letztlich auf einer klassischen Basis. Die oft filigranen, beinahe architektur-artigen Arrangements auf dem Teller sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier sehr einfach – aber mit Raffinement – gekocht wird. Gleichzeitig werden die Möglichkeiten moderner Küchentechnik genutzt, aber sie sind immer nur Mittel zum Zweck: der Geschmack jeder Zutat muss gut bis überragend sein.