Story

Markus Arnold

Gastronomie muss lockerer werden.

Morgens, halb elf in Bern. Wir stehen vor dem prunkvollen Historischen Museum am Helvetiaplatz, auf der anderen Seite der Aare flattert die Schweizerfahne auf dem Bundeshaus lustig im Wind. Hier sieht alles nach solider, in Stein gehauener Tradition aus. Aber ein Mann ist angetreten, um mit Traditionen zu brechen und neue Ideen unters Volk zu bringen.

Wir wenden den Blick vom Traditionsbern ab, drehen uns um und betreten die Steinhalle, direkt neben dem Haupteingang des Museums. Einst wurden hier die Steine für den Museumsbau gelagert, später war es ein Bistro, und heute ist der 37-jährige Luzerner Markus Arnold Pächter, CEO und kulinarisches Mastermind des zurzeit wohl aufregendsten Restaurants in der Bundesstadt.

«Gastronomie muss lockerer werden», sagt Arnold bald einmal, und der kurze Satz steht für alles, was in seinem Restaurant passiert. Der schlanke, grossgewachsene Koch hat einst im Merdiano im Berner Kursaal für Furore gesorgt, schnell kamen Punkte, Sterne und andere Auszeichnungen. Von 2009 bis 2014 arbeitete er in einem «tollen Umfeld, aber auch in einem goldenen Käfig», wie er es ausdrückt.

Markus Arnold wollte weiter, er suchte das Risiko, um etwas Neues auszuprobieren. Es folgten Pop-up-Restaurants wie «Mr. Mori» (japanisch) oder «Brother Frank» (vietnamesisch), Arnold reiste nach Bangkok zum Welt-Gourmet-Festival und gerade erst ist er aus Nord- und Südkorea zurückgekehrt, wo er als unbezahlter Kochinstruktor engagiert war und neue Geschmackswelten entdeckte.

 

Die Küche Asiens fasziniert den Koch, er schwärmt beispielsweise von «der unglaublichen Schärfe des Street Foods in Thailand». Aber sein liebstes Reiseziel sei Japan: «Ich war schon achtmal da, selbst unsere Hochzeitsreise haben wir durch Japan gemacht.» Arnold mag den Geschmack, das berühmte Umami, die Liebe zum Produkt und die Sorgfalt bei der Zubereitung – all das zeichne die japanische Küche aus. Und diese Philosophie will er auch auf sein Restaurant übertragen.

Mittags gibt es deshalb in der «Steinhalle» eine Ramen-Suppe. Das einfache, schmackhafte Gericht ist in Japan so etwas wie der Burger in Amerika. Es besteht aus einer aromatischen Brühe (zum Beispiel Huhn oder Fleisch), Nudeln, Schweinebrust oder anderes Fleisch, Ei und etwas Gemüse oder Sprossen. Arnold hat sich eine japanische Nudelmaschine besorgt, alles wird hausgemacht. Selbst die Quiche, die ebenfalls auf dem Mittagsmenü steht, wird täglich frisch gebacken. «Das kostet dann halt etwas mehr als ein Tiefkühlprodukt aus dem Supermarkt», sagt er.

Die ersten Gäste treffen ein, sie bestellen ihren Lunch direkt an der Kasse, bezahlen und nehmen dann Platz. In relativ kurzer Zeit bekommt man das Essen serviert, «wer will, kann bei uns in 15 Minuten etwas Gutes essen, dass mit Sorgfalt gekocht wurde. Das schätzen viele Gäste aus den umliegenden Büros», sagt Arnold. Aber er gibt auch zu, dass er die Berner etwas erziehen musste. «Es haben nicht alle eingesehen, dass sie bezahlen sollten, bevor sie etwas bekommen», erzählt der Gastrounternehmer mit einem schelmischen Lächeln.

Weil der Steinhalle-Chef sich auch um Administrativ- und Personalfragen kümmern muss, übernimmt sein Head Chef das Tagesgeschäft. Er war schon zu Meridiano-Zeiten Arnolds Sous-Chef. «Aber Kochen ist immer noch das, was ich am liebsten tue. Leider finde ich nicht mehr so viel Zeit dafür», sagt er. Aber für uns nimmt sich Markus Arnold die Zeit und bereitet eines seiner Lieblingsgerichte zu: eine konfierte Lachsforelle mit Spinat und Estragon-Beurre-blanc, der klassischen Butter-Weissweinsauce aus der französischen Küche.

Arnold legt den Fisch in eine Schale mit Rapsöl: Das Fett verhindert, dass Wasser auftreten kann und leitet die Hitze gleichmässig weiter. Je nach Dicke des Filets braucht es 15 bis 25 Minuten bei 50 Grad Dampf im Steamer, bis die Lachsforelle halbgar und butterzart ist. Dann wird sie mit Nussbutter bepinselt, mit Spinat belegt, auf den wiederum «Beurre noisette» kommt. «Das Fett und die leichte Säure der Sauce sorgen für einen grandiosen Geschmack. Einmal im Jahr ist dieser Fisch sicher bei uns auf der Karte, die Gäste sind verrückt danach», erzählt Markus Arnold.

Das Mittagsgeschäft ist vorbei, zwischendurch kommen jetzt noch einige Museumsbesucher auf einen Kaffee und ein Stück Schokolade-Mandel-Kuchen nach Arnolds Geheimrezept vorbei – auch dafür ist die Steinhalle eine gute Adresse. Dann wird für den Abend eingedeckt: An langen Tischen, an der Bar vor der offenen Küche und auf einer Empore sitzen später die Gäste und bekommen ein koreanisches Menü serviert.

Das kulinarische Thema wechselt, nach Korea kommt alles in Grün auf den Tisch, davor gab es Essen, ausschliesslich mit Rauch und Feuer zubereitet. «Mit wechselnden Themen kann ich die Gäste immer wieder neugierig machen, so kommen sie vielleicht fünfmal im Jahr vorbei statt nur zweimal wie in anderen Fine-Dining-Restaurants», sagt Arnold über sein Konzept, das er «Casual Dining» nennt.

Der Abend endet mit einer Dessertschale: Unter einer luftigen, schneeartigen Yuzu-Joghurt-Masse mit etwas Limettenabrieb verbergen sich süsse Mango mit Waldhonig. Es ist ein typisches Markus-Arnold-Gericht, weil es toll schmeckt und ohne viele Erklärungen einfach mit einem Löffel gegessen werden kann. «Ein Dessert mit drei Zutaten, das super schmeckt, ist doch interessanter als ein Teller mit 30 Komponenten», sagt Arnold. Das ist seine Handschrift: Es schmeckt und wird mit einer Prise augenzwinkernder Frechheit serviert.

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