Story

Zimtblüten im Birnbrot

Dominik Flammer

Oft fehlte es früher insbesondere in höheren Regionen der Schweiz an Getreide. Wurde in Graubünden oder dem Wallis bis ins 16. Jahrhundert etwa Roggen bis auf 2000 Meter hinauf angebaut, verschwand das Korn in der Zeit der klimatisch kälteren Jahrhunderte fast komplett von den alpinen Äckern. Weshalb die Bäuerinnen besonders kreativ waren und insbesondere mit dem Birnbrot eine wundervolle alpine Spezialität geschaffen haben, die heute quer über den Alpenbogen in den unterschiedlichsten Birn- und Früchtebrotvarianten verkostet werden kann: Ein klassischer Zeuge dafür ist das Bündner Birnbrot. Es steht für eine insbesondere in den inneren Alpentälern verbreitete Praxis, fehlendes Getreide in Notzeiten durch Dörrfrüchte zu ersetzen. In Graubünden und anderen alpinen Regionen wird das Birnbrot aus einer Masse hergestellt, bei der die Dörrfrüchte – nebst einheimischen Dörrbirnen oft auch getrocknete Südfrüchte wie etwa Feigen, manchmal auch mit kandierten Orangen oder Zitronen – oft mit einem Roggenteig vermischt werden. Wohl zurecht wird vermutet, dass das typische Rezept für Bündner Birnbrot von Bäuerinnen aus dem obstreichen und für den Obstbau geeigneten Domleschg entwickelt wurde. Aus dieser Notlösung entwickelte sich erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine eigentliche Delikatesse, deren Herstellung sich zusehends von den Bauernküchen in die gewerbliche Bäckerei zu verschieben begann. Erstmals in einem Kochbuch als „Bündner Birnbrot“ erwähnt es der Churer Lehrer Carl Patzen 1905 in seiner selbst verlegten Rezeptsammlung „Die gute Köchin“. Im Gegensatz zu den heutigen Varianten empfahl Patzen als Würze nicht Sternanis, Koriander oder Nelken, sondern die mittlerweile kaum mehr bekannten Zimtblüten. Ein Gewürz mit einem betörenden, selbst in der Nase mit seiner Schärfe kitzelnden Duft, der eine unverkennbare Note hinterlässt, dank der man schnell erkennt, ob das Birnbrot mit einer Fertigmischung oder von einer Gewürzkennerin gebacken wurde. Sinnvoll einsetzen lassen sich Zimtblüten aber auch für Kompotte, als Würze für schwere Saucen, als Ersatz für Kümmel bei der Herstellung von Rot- oder Blaukraut sowie als ergänzendes Gewürz für unzählige orientalische Speisen.

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